Kennt ihr das auch? Kaum ein Nachrichtenbeitrag, kaum eine gesellschaftliche Debatte kommt heutzutage ohne sie aus: die allwissenden, allgegenwärtigen „Experten“. Sie sind die neuen Orakel, deren nebulöse Ansichten uns Orientierung im Informationsdschungel bieten sollen. Doch wer sind diese mysteriösen Figuren eigentlich? Und wie viel Wahrheit steckt hinter ihrem vermeintlichen Konsens?
Mir drängt sich da manchmal eine leise Ironie auf. Denn während der Begriff „Wissenschaftler haben entdeckt“ zumindest den Anschein einer nachvollziehbaren Methodik und überprüfbarer Ergebnisse vermittelt, schwebt über dem Satz „Experten sind der Ansicht“ oft ein Schleier des Ungefähren und Subjektiven.
Die anonyme Macht der Expertise
Das Problem beginnt schon bei der Identität dieser „Experten“. Oft bleiben sie gesichtslos, namenlos, eine homogene Masse, deren Autorität einzig auf ihrem ominösen Titel zu beruhen scheint. „Experten sagen…“, „Kreise von Experten verlautbaren…“, „Gut informierte Experten meinen…“. Es klingt beeindruckend, fast schon unantastbar. Aber wer genau sind diese Koryphäen? Welche Expertise bringen sie wirklich mit? Und vor allem: Wer hat sie zu Experten ernannt?
Manchmal drängt sich der Verdacht auf, dass diese anonymen Experten eher dazu dienen, ein bestimmtes Narrativ zu untermauern, eine vorgefasste Meinung zu legitimieren. Ihre „Ansichten“ werden zum unhinterfragten Fakt erhoben, ohne dass wir die Möglichkeit haben, ihre Qualifikationen, ihre potenziellen Interessenkonflikte oder gar die methodische Grundlage ihrer „Ansicht“ zu prüfen.
Die Subjektivität im Gewand der Neutralität
Und da liegt der Hase im Pfeffer. Denn „Ansicht“ ist eben nicht gleich „wissenschaftlicher Beweis“. Während wissenschaftliche Entdeckungen idealerweise auf überprüfbaren Daten und transparenten Methoden basieren, können Expertenansichten durchaus von persönlichen Erfahrungen, ideologischen Überzeugungen oder dem vorherrschenden Meinungsstrom beeinflusst sein.
Nehmen wir Debatten zu komplexen Themen wie Wirtschaftspolitik, gesellschaftlichen Wandel oder sogar Gesundheitsfragen. Hier ringen oft verschiedene „Expertenlager“ miteinander, deren „Ansichten“ sich diametral widersprechen. Wer hat nun Recht? Und auf welcher Grundlage sollen wir als mündige Bürger entscheiden, wem wir unser Vertrauen schenken?
Das Verkaufsargument der Autorität
Die inflationäre Nutzung des „Experten“-Arguments erinnert manchmal eher an ein cleveres Marketinginstrument als an eine neutrale Informationsquelle. Die Autorität des „Experten“ wird genutzt, um eine bestimmte Position zu stärken, Widerstand zu entkräften und die eigene Meinung als quasi-wissenschaftliche Wahrheit zu verkaufen.
Dabei ist es keineswegs so, dass echte Expertise keinen Wert hätte. Im Gegenteil: Fachwissen und Erfahrung sind unerlässlich, um komplexe Sachverhalte zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Das Problem liegt in der unkritischen und oft anonymen Heranziehung von „Experten“, die dazu dient, Narrative zu zementieren, anstatt einen offenen und transparenten Diskurs zu fördern.
Ein Plädoyer für kritische Fragen
Das bedeutet nicht, dass wir jede Expertenmeinung pauschal ablehnen sollten. Aber es bedeutet, dass wir kritische Fragen stellen müssen: Wer sind diese Experten? Welche Qualifikationen haben sie? Auf welcher Grundlage basiert ihre Ansicht? Gibt es alternative Perspektiven?
Denn am Ende des Tages sollten wir uns nicht blind auf das Orakel der Anonymen verlassen. Echte Erkenntnis entsteht durch Auseinandersetzung, durch das Abwägen verschiedener Perspektiven und durch die Bereitschaft, auch vermeintliche Expertenmeinungen kritisch zu hinterfragen. Nur so können wir uns aus dem „Kaspertheater“ der vermeintlichen Gewissheiten befreien und zu einer informierten und eigenständigen Meinungsbildung gelangen.