Die Wikingerzeit, eine Ära der Entdeckungen, Eroberungen und faszinierenden Kultur, ist uns vor allem durch ihre Schiffe, ihre Krieger und ihre Mythologie bekannt. Doch auch die Musik spielte eine Rolle im Leben der Nordmänner, sei es bei Festen, Zeremonien oder zur Untermalung von Geschichten. Obwohl uns keine vollständigen Musikstücke aus dieser Zeit überliefert sind, geben archäologische Funde und literarische Hinweise Einblicke in die Instrumente, die damals erklangen. Tauchen wir ein in die Welt der Klänge der Wikingerzeit.
Was wissen wir über die Musik der Wikinger?
Es ist wichtig zu betonen, dass unser Wissen über die Musik der Wikingerzeit fragmentarisch ist. Es gab keine standardisierte Notenschrift, daher wurde Musik mündlich überliefert. Archäologische Funde von Musikinstrumenten sind relativ selten, aber die vorhandenen Stücke zusammen mit Beschreibungen in Sagas und Runeninschriften ermöglichen uns ein Bild davon, welche Arten von Instrumenten existierten. Man geht davon aus, dass Musik eine wichtige Rolle bei verschiedenen Anlässen spielte, darunter:
- Feste und Feiern: Um die Götter zu ehren, Siege zu feiern oder einfach nur das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.
- Rituale und Zeremonien: Möglicherweise bei religiösen Handlungen oder Bestattungen.
- Erzählungen und Skaldendichtung: Musik könnte zur Untermalung von Geschichten und Liedern der Skalden (nordische Dichter und Geschichtenerzähler) gedient haben.
- Signale: Einfache Instrumente wie Hörner wurden sicherlich auch zur Kommunikation und als Warnsignale verwendet.
Die Instrumente: Eine Reise durch Funde und Vermutungen
Basierend auf archäologischen Funden und historischen Belegen lassen sich folgende Kategorien von Musikinstrumenten für die Wikingerzeit identifizieren:
1. Blasinstrumente (Woodwinds & Horns):
- Knochenflöten (Bone Flutes): Dies sind die am häufigsten gefundenen Instrumente. Sie wurden typischerweise aus den Röhrenknochen von Tieren wie Kühen, Schafen, Hirschen oder großen Vögeln gefertigt. Die Anzahl der Löcher variierte, wobei die meisten drei bis sieben Löcher aufwiesen. Diese einfachen Flöten konnten vermutlich eine begrenzte Melodie spielen.
- Hörner (Horns): Tierhörner, insbesondere von Kühen und Ziegen, wurden als Blasinstrumente genutzt. Einige waren einfache Signalhörner ohne Grifflöcher, während andere möglicherweise mit wenigen Löchern versehen waren, um einfache Melodien zu spielen. Abbildungen auf dem Teppich von Bayeux deuten auf die Verwendung von Hörnern als Blasinstrumente hin.
- Panflöte (Panpipe): Ein bemerkenswerter Fund einer Panflöte aus dem 10. Jahrhundert stammt aus den Coppergate-Ausgrabungen in York (dem ehemaligen Wikinger-Jorvik). Dieses Instrument aus Buchsbaumholz bestand aus fünf unterschiedlich tiefen Röhrchen, die die Töne A, B, C#, D und E erzeugen konnten. Dies ist ein faszinierendes Zeugnis komplexerer Melodien.
- Skalmeje (Shawm): Ein rätselhafter Fund auf der Insel Falster in Dänemark, datiert auf das 11. Jahrhundert, wird als „Skalmeje“ bezeichnet. Es ist unklar, wie es genau verwendet wurde, aber es gibt Spekulationen, dass es Teil eines Dudelsacks gewesen sein könnte, da in Schweden ein ähnliches Instrument mit Lederresten gefunden wurde. Es könnte auch eine Art Hornpfeife mit einem Mundstück gewesen sein.
- Lur: Obwohl der Lur hauptsächlich mit der Bronzezeit assoziiert wird, gibt es Hinweise darauf, dass ähnliche, einfachere Blashörner aus Holz oder Tierhorn auch in der Wikingerzeit verwendet wurden sein könnten, insbesondere für zeremonielle Zwecke oder als Statussymbol.
2. Saiteninstrumente (String Instruments):
- Leier (Lyre/Harpa): Die Leier scheint das angesehenste Saiteninstrument der Wikingerzeit gewesen zu sein. Skaldische Dichtung deutet darauf hin, dass sie als Instrument für Gentlemen galt. Archäologische Funde von Leierfragmenten, insbesondere von Stegen (dem Teil, der die Saiten über den Resonanzkörper führt), wurden in skandinavischen Kontexten gemacht. Rekonstruktionen deuten auf Instrumente mit typischerweise sechs Saiten aus Tierdarm hin, die gezupft wurden. Die Leier war wahrscheinlich ein Begleitinstrument für Gesang.
- Tagelharpa/Jouhikko (Bowed Lyre): Obwohl die frühesten eindeutigen Beweise für die Tagelharpa (eine Art gestrichene Leier mit typischerweise Pferdehaarsaiten) aus der Zeit nach der Wikingerzeit stammen, gibt es Spekulationen, dass Vorformen dieses Instruments bereits existiert haben könnten. Ein unvollendetes Instrument, das als frühe Rebec (eine Art Fiddle) interpretiert wird, wurde gefunden und könnte auf eine Entwicklung hin zu Streichinstrumenten hindeuten.
3. Perkussionsinstrumente (Percussion Instruments):
- Trommeln (Drums): Es gibt keine direkten archäologischen Funde von Trommeln aus der Wikingerzeit in Skandinavien. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass einfache Rahmentrommeln aus Tierhaut existierten, ähnlich denen, die in anderen europäischen Kulturen der damaligen Zeit verwendet wurden.
- Glocken und Rasseln (Bells and Rattles): Es wurden verschiedene Glocken und Rasseln aus Metall und Knochen gefunden, die wahrscheinlich auch musikalische oder rituelle Zwecke erfüllten. Rasseln könnten auch dazu gedient haben, böse Geister abzuwehren, insbesondere bei Kindern.
Gesang und mündliche Tradition:
Es ist unerlässlich zu betonen, dass der Gesang die wahrscheinlich wichtigste Form der musikalischen Ausdrucksweise in der Wikingerzeit war. Die Skalden trugen ihre Verse und Geschichten oft singend vor. Es gab verschiedene Formen von Gesängen, darunter Preislieder (Drápa), Schildlieder (Skjaldardrápa) und möglicherweise Arbeitslieder oder rituelle Gesänge. Die mündliche Überlieferung war zentral für die Kultur der Wikinger, und Musik spielte eine wichtige Rolle bei der Weitergabe von Wissen und Traditionen.
Ein unvollständiges, aber faszinierendes Bild
Obwohl unser Wissen über die traditionellen Musikinstrumente der Wikingerzeit begrenzt ist, geben uns die archäologischen Funde und literarischen Hinweise einen faszinierenden Einblick in die Klangwelt der Nordmänner. Einfache Flöten aus Knochen, Hörner, die Panflöte von Jorvik und die Leier als wahrscheinlich angesehenstes Instrument lassen erahnen, dass Musik ein integraler Bestandteil ihres Lebens war. Während wir vielleicht nie genau wissen werden, wie ihre Melodien klangen, so zeugen die gefundenen Instrumente doch von der musikalischen Kreativität und dem kulturellen Reichtum dieser faszinierenden Epoche. Die Suche nach weiteren Spuren des Klangs der Wikingerzeit geht weiter und verspricht, unser Verständnis ihrer Kultur weiter zu bereichern.