Die Gastronomie befindet sich seit der Pandemie in einer turbulenten Phase. Explodierende Kostensteigerungen von teils über 100 % für Energie, Lebensmittel und Personal haben das Geschäftsmodell vieler etablierter Betriebe fundamental in Frage gestellt. In diesem schwierigen Fahrwasser, das durch die Inflation und das damit veränderte, preissensible Kundenverhalten geprägt ist, entstehen paradoxerweise zahlreiche neue Anbieter, oft als Hobby oder Nebenerwerb.
Diese Quereinsteiger – die häufig leerstehende Locations ohne Service (z. B. ausgebaute Scheunen) für Events vermieten oder Event-Ausrüstung anbieten – werben nicht selten mit dem Versprechen “ fairer Preise“. Doch diese scheinbare Fairness entpuppt sich schnell als gefährliche betriebswirtschaftliche Naivität, die etablierten Betrieben kaum Spielraum lässt und oft zum Scheitern der Neulinge führt.
Der Trugschluss des „fairen Preises“
Der Glaube, man könne Dienstleistungen in der Gastronomie und im Eventbereich deutlich günstiger anbieten als etablierte Profis, basiert auf einem fundamentalen Irrtum über die realen Kosten und Risiken der Branche:
- Die Ignoranz der Gemeinkosten: Hobby- und Kleinunternehmer rechnen oft nur die direkten Materialkosten (Einkauf von Lebensmitteln, Miete für eine Stunde) ein. Sie ignorieren jedoch die massiven Gemeinkosten der Gastronomie, zu denen gehören:
- Kalkulatorischer Unternehmerlohn: Die eigene Arbeitszeit wird nicht oder nur minimal berechnet.
- Versicherungen und Haftung: Die Kosten für die umfangreiche Gewerbe-, Betreiber- und Produkthaftpflicht sind bei professionellen Events immens.
- Abschreibungen: Die Abnutzung von Küche, Geschirr, Möbeln und Eventtechnik wird vernachlässigt.
- Personalkosten: Selbst ein Nebenerwerb muss gesetzliche Abgaben, Lohnfortzahlungen und Urlaubsansprüche einkalkulieren, sobald Personal eingesetzt wird.
- Die Unterschätzung der Dienstleistung: „Locations ohne weiteren Service“ klingt einfach, bedeutet aber, dass der Kunde oft zusätzlichen Aufwand einkalkulieren muss. Etablierte Gastronomen verkaufen nicht nur das Essen, sondern Zuverlässigkeit, Logistik, Expertise in Hygienevorschriften und Zeitersparnis für den Kunden.
- Die Preisspirale nach unten: Indem Quereinsteiger mit unterkalkulierten Preisen den Markt betreten, setzen sie etablierte Betriebe unter Druck. Die Profis können diese Preise nicht halten, da sie von diesem Geschäft existieren müssen, nicht nur ein Hobby finanzieren wollen.
Wenn die Arbeit mehr wird, aber nichts hängen bleibt
Das Erwachen kommt für die Hobby-Anbieter oft dann, wenn das Geschäft durch die niedrigen Preise tatsächlich anzieht. Der Wendepunkt ist erreicht, wenn die Arbeitszeit drastisch zunimmt und der Umsatz zwar steigt, aber der Gewinn (was „hängen bleibt“) bei Null oder im negativen Bereich verharrt.
- Der anfangs „faire Preis“ wird zur selbstauferlegten Falle. Das anfängliche Hobbygefühl weicht dem Frust, da die gesamte Freizeit geopfert wird, um laufende Kosten zu decken, aber keine Rücklagen oder ein existenzsicherndes Gehalt erwirtschaftet werden.
- Die Folge ist oft die schnelle Aufgabe des Geschäfts oder die notgedrungene, aber schwer vermittelbare Preisanpassung, die die Kunden enttäuscht.
Die Lektion für die Branche
Wenn es so einfach wäre, mit minimalem Aufwand und „fairen Preisen“ im Nebenerwerb erfolgreich zu sein, würden etablierte Gastronomen diesen Weg längst gehen. Sie tun es nicht, weil sie die komplexe Realität der Vollkostenrechnung, der regulatorischen Anforderungen und des hohen Aufwands kennen, der notwendig ist, um Qualität und Zuverlässigkeit konstant zu liefern.
Die neue Welle der Kleinanbieter spiegelt zwar den Wunsch nach Authentizität und niedrigeren Preisen wider. Sie verdeutlicht aber auch, dass „fair“ in der Gastronomie nicht bedeutet, sich selbst unter Wert zu verkaufen, sondern einen Preis zu kalkulieren, der Qualität, alle Kosten, das unternehmerische Risiko und einen angemessenen Lohn deckt. Die Herausforderung für die etablierte Gastronomie liegt darin, diesen Mehrwert trotz der Preiskonkurrenz der Amateure transparent zu kommunizieren.