Es ist ein klassisches Dilemma im menschlichen Miteinander, ein generationenübergreifendes Pingpongspiel der mentalen Aktivität: Die einen werfen dir vor, du würdest die Dinge unnötig zerdenken, während die anderen ungläubig den Kopf schütteln ob deiner vermeintlichen Naivität und Oberflächlichkeit. Man könnte es auch die „Goldene Mitte des Nicht-Genug-Denkens“ nennen – wenn sie denn existierte.
Da sitzt man also, brütet über den tieferen Sinn einer leicht missverständlichen WhatsApp-Nachricht oder wägt die ethischen Implikationen der Farbwahl der neuen Bürotassen ab (zugegeben, das ist schon fortgeschrittenes Denken). Und prompt kommt der wohlmeinende Ratschlag: „Ach, mach dir darüber doch nicht so viele Gedanken! Ist doch halb so wild.“ Man wird quasi zum mentalen Kamillentee-Trinker verordnet, zur sofortigen Verordnung von innerer Gelassenheit.
Auf der anderen Seite des Spektrums stehen jene, die angesichts von Ignoranz oder vorschnellen Urteilen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. „Wie kann man nur so oberflächlich sein?“, hallt es dann. „Macht ihr euch denn überhaupt keine Gedanken darüber, was das bedeutet?“ Hier wird man quasi zum kollektiven Tiefenhirnforscher aufgefordert, zur sofortigen Verpflichtung zur intellektuellen Schwerstarbeit.
Die Ironie der Sache liegt natürlich in der diametral entgegengesetzten Bewertung desselben Phänomens – nämlich der individuellen Auseinandersetzung mit der Welt. Was für den einen ein unnötiger Overthink ist, ist für den anderen schlichtweg die angemessene kognitive Reaktion auf eine komplexe Realität.
Man könnte fast meinen, die ideale Denkgeschwindigkeit läge irgendwo zwischen dem entspannten Dahintreiben eines Gummienten in der Badewanne und der fieberhaften Betriebsamkeit eines Ameisenhaufens unter Strom. Nur: Wer kalibriert diese ominöse „richtige“ Denkgeschwindigkeit? Und wer legt fest, wann die persönliche Grübelmaschine überhitzt oder bedenklich untertourig läuft?
Die Wahrheit ist wohl, dass die individuelle „richtige“ Menge an Gedanken stark vom Kontext, der Persönlichkeit und dem eigenen inneren Kompass abhängt. Der eine findet seine innere Ruhe im möglichst gedankenfreien Zustand, der andere navigiert durchs Leben, indem er jede Eventualität im Vorfeld mental durchspielt – bis hin zur Frage, ob die Katze heute Abend wohl lieber Thunfisch oder Lachs hätte.
Vielleicht sollten wir aufhören, uns gegenseitig Denk-Diagnosen zu stellen. Stattdessen könnten wir anerkennen, dass es ein Spektrum der mentalen Verarbeitung gibt. Und dass sich die Welt wahrscheinlich weiterdrehen wird, egal ob wir nun drei Stunden über die Bedeutung eines Emojis nachdenken oder die globale Erwärmung mit einem Achselzucken abtun. Die Kunst liegt wohl darin, für sich selbst den Modus zu finden, der weder in die mentale Erschöpfung noch in die argumentative Sackgasse führt. Aber hey, vielleicht mache ich mir darüber gerade auch schon wieder viel zu viele Gedanken…