Liebe Freunde des digitalen Feilschens und der kuriosen Angebote, lasst uns heute ein Phänomen beleuchten, das so beständig ist wie der Staub auf Omas alter Nähmaschine, die seit Jahren bei „Kleinanzeigen“ zum Verkauf steht: die Reaktion (oder eben das eklatante Fehlen derselben) auf freundlich gemeinte Hinweise bezüglich Fehlern, Irrtümern oder schlichtweg realitätsfernen Preisvorstellungen.
Man kennt das: Da stolpert man über ein „Schnäppchen“, das verdächtig nach einem Tippfehler aussieht („Original Designer Lampe, neuwertig, NP 1200€, VB 12€“). Oder man entdeckt eine Beschreibung, die die physikalischen Gesetze auf charmante Weise ignoriert („Verkaufe antike Standuhr, wiegt ca. 500 Gramm“). Und natürlich der Klassiker: die Preiskategorie „VB (Verhandlungsbasis)“ in Kombination mit einer Summe, die selbst Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan kurz stutzen ließe („Seltene Briefmarkensammlung, Wert lt. Experte 1 Million €, VB 999.999€“).
Als hilfsbereiter Geist, der das digitale Ökosystem der gebrauchten Waren am Laufen halten möchte, nimmt man sich also ein Herz (und ein paar Tippminuten Zeit) und weist den Anbieter freundlich auf den kleinen Fauxpas hin. Ein wohlmeinender Hinweis auf den fehlenden Nuller beim Preis, die realistische Gewichtseinschätzung oder die vielleicht doch etwas optimistische Wertangabe der Briefmarken. Man erwartet vielleicht ein kurzes „Oh, danke für den Hinweis!“ oder ein korrigiertes Angebot.
Das digitale Grab der Ignoranz: Wo freundliche Hinweise sang- und klanglos verschwinden
Aber was passiert stattdessen? Stille. Funkstille. Das digitale Äquivalent eines tiefen, genervten Seufzers, der im Äther verhallt. Die Anzeige bleibt unverändert. Der Preis unkorrigiert. Die Beschreibung weiterhin… kreativ. Man könnte fast meinen, der Hinweis sei in ein schwarzes Loch der digitalen Kommunikation gefallen, aus dem keine Antwort mehr entkommt.
Fachlich betrachtet (und mit einer gehörigen Portion Ironie gewürzt) lässt sich dieses Phänomen psychologisch deuten. Die Theorie, dass der angesprochene Nutzer unseren wohlmeinenden Hinweis als persönliche Beleidigung auffasst, gewinnt hier erschreckend an Plausibilität.
Warum ist das so? Nun, stellen wir uns den typischen „Kleinanzeigen“-Nutzer vor (Achtung, Stereotypisierung incoming, aber mit Augenzwinkern!): Oftmals ist die Erstellung einer Anzeige ein Akt der Hoffnung, vielleicht sogar der emotionalen Bindung an das zu verkaufende Objekt. Die geliebte, aber eben doch nicht mehr benötigte Lampe, die in der eigenen Wahrnehmung immer noch 1200€ wert ist. Die antike Uhr, die „gefühlte“ 500 Gramm wiegt, weil sie ja so „alt“ und „wertvoll“ ist. Und die Briefmarkensammlung, deren Wert man vielleicht mal in einem vergilbten Briefmarkenkatalog überflogen hat.
Wer nun kommt und diese liebevoll gehegten Illusionen mit der harten Realität konfrontiert, der kratzt an einem emotionalen Panzer. Der freundliche Hinweis wird nicht als Hilfe zur Optimierung des Verkaufs gesehen, sondern als Angriff auf die eigene Einschätzung, das eigene Urteilsvermögen, ja vielleicht sogar auf die eigene Person.
Die Kränkung des digitalen Ego: Mein Irrtum? Niemals!
Das digitale Ego ist ein fragiles Gebilde. Im Schutz der Anonymität des Internets neigen manche Menschen dazu, ihre eigene Meinung und Einschätzung als unumstößliche Wahrheit zu betrachten. Ein Irrtum? Eine Fehleinschätzung? Undenkbar! Wer es wagt, diese vermeintliche Wahrheit in Frage zu stellen, der wird kurzerhand zum digitalen Buhmann erklärt – und mit eisiger Ignoranz bestraft.
Man könnte es auch als eine Art kognitive Dissonanz betrachten. Die Realität des Marktes (niemand zahlt 12€ für eine 1200€ Lampe, wenn sie nicht gerade aus purem Gold ist) kollidiert mit der eigenen, möglicherweise überhöhten Vorstellung. Anstatt die Realität anzuerkennen und die Anzeige anzupassen, wird der Überbringer der schlechten Nachricht lieber ignoriert. Nach dem Motto: Was ich nicht sehe, was ich nicht höre, das ist nicht.
Die traurige Konsequenz: Ein suboptimaler Marktplatz
Die Konsequenz dieses Verhaltens ist ein Marktplatz, der von inkorrekten Angaben, unrealistischen Preisen und Anzeigen durchzogen ist, die potenzielle Käufer eher verwirren als anziehen. Die Suche nach echten Schnäppchen wird zur digitalen Schnitzeljagd, bei der man gefühlt 99 falsche Fährten verfolgen muss, um ein halbwegs realistisches Angebot zu finden.
Liebe „Kleinanzeigen“-Nutzer, ich appelliere an Ihr digitales Gewissen (sofern vorhanden!): Sehen Sie einen freundlichen Hinweis nicht als Beleidigung, sondern als kostenlose Marktberatung! Es dient letztendlich Ihrem eigenen Interesse, realistische Angaben zu machen und Fehler zu korrigieren. Denn auch wenn das stille Echo der Ignoranz im ersten Moment befriedigend sein mag – am Ende des Tages verkauft sich ein realistisch bepreister und korrekt beschriebener Artikel nun mal deutlich besser. Und das ist doch eigentlich der Sinn der Sache, oder? Oder habe ich da jetzt schon wieder etwas falsch verstanden? Stille im digitalen Raum. Na gut.