Liebe Freunde der gepflegten Reisegeschwindigkeit (und all jene, die auf der Autobahn schon mal ungläubig den Kopf geschüttelt haben): Heute tauchen wir tief ein in die faszinierende, manchmal etwas… sagen wir mal… „spezielle“ Denkweise einer ganz besonderen Spezies: des Hobbyrennfahrers auf der deutschen Autobahn.
Man kennt sie. Kaum ist die Beschränkung aufgehoben, verwandelt sich ihr unscheinbares Familiengefährt in eine aerodynamische Kampfmaschine. Mit 180 km/h (gefühlten 250 km/h) wird alles überholt, was nicht niet- und nagelfest ist. Linke Spur ist ihr natürlicher Lebensraum, der Blinker wird nur als Dekoration betrachtet. Sie sind die Könige der Überholspur, die unangefochtenen Herrscher der Geschwindigkeit – zumindest für die nächsten paar Kilometer.
Und dann, ganz plötzlich, mitten im Geschwindigkeitsrausch, die unerwartete Kehrtwende. Wie ein Formel-1-Pilot, der in der letzten Runde spontan in die Boxengasse abbiegt, schert unser Hobbyrennfahrer auf den nächsten Rastplatz aus. Der Grund? Ein dringendes Bedürfnis nach Koffein und ein ebenso dringendes Bedürfnis, die architektonischen Meisterleistungen öffentlicher Toilettenanlagen zu inspizieren.
Hier, inmitten von Familien auf Urlaubsfahrt und gestressten LKW-Fahrern, tankt der Geschwindigkeitsjunkie neue Energie. Der Adrenalinspiegel sinkt langsam, während der Koffeinpegel steigt. Die Blase wird erleichtert, und vielleicht wird noch ein kurzer Blick auf die neuesten Auto-Bild-Ausgaben geworfen, um sich für die nächste High-Speed-Etappe zu wappnen.
Doch hier liegt der Knackpunkt, der uns Normalsterbliche in ungläubiges Kopfschütteln versetzt. Nach der ausgiebigen Rastplatz-Session, die locker 15-20 Minuten in Anspruch nehmen kann (man muss sich schließlich auch noch die Auslage des Shops genau ansehen!), geht die wilde Hatz weiter. Und was passiert? Unser Hobbyrennfahrer findet sich plötzlich… hinter all denjenigen wieder, die er vorhin so vehement überholt hat.
Die Logik, die in diesem Moment im Kopf unseres Protagonisten zu walten scheint, ist… nun ja… „interessant“. Anstatt zu realisieren, dass die verlorene Zeit durch die Kaffeepause nicht durch erneutes Rasen wettgemacht wird, setzt die altbekannte Hobbyrennfahrerlogik ein: „Ich muss diese lahmen Schleicher überholen, die hier mit ihren gemütlichen 130 km/h den Verkehr aufhalten!“
Und so beginnt das Spiel von Neuem. Mit erneut aufheulendem Motor und ambitionierten Überholmanövern wird die linke Spur wieder zur Bühne der persönlichen Geschwindigkeitsdemonstration. Diejenigen, die konstant und ohne unnötige Stopps ihr Ziel verfolgen, werden erneut links liegen gelassen – nur um dann in der nächsten Rastplatz-Schlange oder hinter dem nächsten Stau wieder eingeholt zu werden.
Die fachliche Analyse dieses Phänomens (mit einem Augenzwinkern):
Aus verkehrspsychologischer Sicht (wenn wir mal ganz tief in die Materie eintauchen wollen) könnte man dieses Verhalten als eine Mischung aus kurzfristiger Bedürfnisbefriedigung (Kaffee, Toilette) und einer verzerrten Wahrnehmung von Zeit und Geschwindigkeit interpretieren. Der Adrenalinrausch des Überholens blendet möglicherweise die rationale Einschätzung der tatsächlich verlorenen Zeit aus.
Auch die kognitive Dissonanz spielt hier eine Rolle. Wer sich einmal als „schnell“ und „effizient“ definiert hat, tut sich schwer einzugestehen, dass unproduktive Stopps diese vermeintliche Effizienz ad absurdum führen. Stattdessen wird die Schuld auf die „langsamen“ anderen Verkehrsteilnehmer projiziert.
Rein physikalisch betrachtet (jetzt wird’s wissenschaftlich!), ist die Gleichung denkbar einfach: Die Zeit, die durch das Rasen gewonnen wird, wird durch unnötige Stopps und das anschließende erneute Beschleunigen mehr als wieder zunichtegemacht. Der Energieverbrauch steigt, der Verschleiß nimmt zu – und am Ende kommt man oft nicht viel früher ans Ziel, dafür aber deutlich gestresster.
Die ironische Schlussfolgerung:
Man könnte fast meinen, diese Hobbyrennfahrer betreiben eine Art bizarre Zeitreise auf der Autobahn. Sie rasen in die Zukunft, nur um dann in der Vergangenheit anzuhalten und anschließend wieder von vorne beginnen zu müssen. Es ist ein ewiger Kreislauf des Überholens und Eingeholtwerdens, ein faszinierendes Schauspiel für alle, die einfach nur entspannt ans Ziel kommen wollen.
Vielleicht sollten wir ihnen einfach ein freundliches Lächeln schenken, uns an unserer konstanten Geschwindigkeit erfreuen und innerlich den Kopf schütteln, wenn sie mit quietschenden Reifen auf den nächsten Rastplatz abbiegen. Denn während sie glauben, die Zeit zurückzudrehen, zeigen sie uns in Wirklichkeit nur auf humorvolle Weise, dass Kontinuität und Effizienz eben doch oft die besseren Rennstrategien sind – zumindest, wenn das Ziel nicht der nächste überteuerte Autobahnkaffee ist.