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Der Gong der Gratis-Einkäufe: Warum Supermarktkunden in einer Parallelwelt leben (und die Schlange darunter leidet)

Erst wenn der Gesamtbetrag laut gesagt wird, beginnt die Suche nach der Geldbörse. Die anderen Kunden können ja warten.

Liebe Freunde des entspannten Einkaufs (und alle, die an der Supermarktkasse innerlich die Augen verdrehen): Lasst uns über ein Phänomen sprechen, das so regelmäßig auftritt wie der wöchentliche Großeinkauf und uns doch jedes Mal aufs Neue in ungläubiges Staunen versetzt. Es geht um den magischen Moment an der Kasse, kurz bevor der erlösende Satz „Das macht dann [astronomischer Betrag] Euro“ fällt. Denn genau in dieser Sekunde scheinen sich bei manchen Kunden die Gesetze der Physik und der gesunde Menschenverstand auf wundersame Weise aufzulösen.

Da stehen sie nun, der Einkaufswagen prall gefüllt mit den Errungenschaften des Konsums. Die Verkäuferin hat fleißig jeden Artikel über den Scanner gezogen, das monotone Piepen hallt durch den Raum. Die Spannung steigt. Gleich wird das Urteil gefällt, der Gesamtbetrag verkündet. Und was machen unsere Protagonisten? Sie stehen da. Regungslos. Die Hände tief in den Taschen vergraben, als würden sie nach dem sagenumwobenen Schatz der Nibelungen suchen. Oder schlimmer noch: Sie beginnen jetzt, in ihren Tiefen der Handtaschen und Rucksäcke nach dem Portemonnaie zu kramen, das sich scheinbar in einer anderen Dimension versteckt hält.

Man fragt sich unweigerlich: In welcher Parallelwelt leben diese Menschen eigentlich? Glauben sie wirklich, dass nach der Verkündung des Gesamtbetrags ein ohrenbetäubender Gong ertönt und eine Stimme aus dem Off verkündet: „Dieser Einkauf geht aufs Haus! Herzlichen Glückwunsch!“? Oder dass sich auf wundersame Weise ein kleines, freundliches Feelein materialisiert und die Rechnung mit einem magischen Fingerschnippen begleicht?

Die Realität, meine lieben Mitwartenden in der Schlange, ist leider weitaus weniger glamourös. Nach der Preisverkündung folgt in der Regel die unweigerliche Aufforderung zur Zahlung. Und genau dieser simple Fakt scheint für einige Mitbürger eine völlig neue und unerwartete Information zu sein.

Es ist ein bisschen so, als würde man in einem Restaurant sitzen, genüsslich sein Drei-Gänge-Menü verzehren und erst dann, wenn die Rechnung präsentiert wird, überrascht feststellen: „Oh, ich muss ja bezahlen?“ Ja, meine Damen und Herren, so funktioniert das Wirtschaftssystem nun mal. Auch im Supermarkt.

Die Folgen dieses zögerlichen Verhaltens sind für alle anderen in der Schlange spürbar. Die Wartezeit dehnt sich ins Unermessliche. Der gestresste Feierabend-Einkäufer beginnt innerlich zu kochen. Die Kinder quengeln. Und die Verkäuferin ringt tapfer um ein professionelles Lächeln, während sie innerlich wahrscheinlich schon die Lottozahlen für den großen Gewinn tippt, um diesem Job endlich entfliehen zu können.

Man könnte ja argumentieren, dass jeder Mensch sein eigenes Tempo hat. Aber es geht hier nicht um das langsame Genießen eines Sonnenuntergangs oder das meditative Betrachten einer Blume. Es geht um einen simplen Bezahlvorgang an einer Supermarktkasse. Ein Vorgang, dessen Ablauf seit Jahrzehnten mehr oder weniger derselbe ist.

Vielleicht sollten wir an den Supermarktkassen kleine Hinweisschilder aufstellen: „Achtung! Nach Nennung des Gesamtbetrags ist die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Gratis-Einkaufs extrem gering. Bitte halten Sie Ihr Zahlungsmittel bereit.“ Oder noch besser: Eine Gong-Attrappe installieren, die nach dem Scannen des letzten Artikels laut „PLING!“ macht – vielleicht weckt das ja bei dem einen oder anderen eine längst verschüttete Assoziation zum Bezahlen.

Bis dahin bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als tief durchzuatmen, innerlich bis zehn zu zählen und uns auf den Moment zu freuen, wenn wir endlich unsere wohlverdienten Einkäufe in den Händen halten – und der nächste Kunde hoffentlich schon beim Scannen der ersten Dose Ravioli sein Portemonnaie griffbereit hat. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – direkt hinter der genervten Dame mit dem überfüllten Einkaufswagen.